Herkunft
Der Capability Ansatz
Wo kommt er her?
Der Ursprung
Der von Amartya Sen in den 1980ern entwickelte Capability-Ansatz (CA) hat seinen Ursprung in der Entwicklungsökonomie und zielte ursprünglich darauf ab, das Wohlbefinden von Menschen in Wohlfahrtsstaaten zu bewerten [1,2]. So dient der Ansatz zunächst als theoretische Basis für den Human Poverty Index und den Human Development Index der Vereinten Nationen.
Capabilities meint nach dem CA, dass ein Individuum jegliche Handlungsmöglichkeiten wahrnehmen kann, die sein Leben lebenswert machen. Capabilities sind also Handlungsmöglichkeiten einer Person für die sich diese bewusst entscheiden oder die diese auch ablehnen kann, um das Leben zu führen, für das sich ein Individuum aus guten Gründen entscheidet. Die Lebensqualität eines Menschen wird dabei nicht eindimensional anhand des Einkommens bewertet, sondern mehrdimensional anhand verschiedenster Handlungsmöglichkeiten bemessen. So wird Armut nicht als die Abwesenheit von Geld definiert, sondern als Abwesenheit von Möglichkeiten, sein persönliches Wohlbefinden zu erreichen [3, 4]. Seine individuelle Verwirklichung soll nicht nur an materielle Ressourcen gebunden sein [5]. Nach dem CA soll der Zugang zu zentralen und grundlegenden Bedingungen keine Momentaufnahme im Sinne einer vergleichbaren Ausgangsposition sein. Sondern für die individuelle Lebensführung in jedem Moment gewährleistet sein, um Ungleichheit vorzubeugen [6].
Martha Nussbaum, die den CA mit entwickelte, beschreibt verschiedene Bedingungen materieller, institutioneller sowie pädagogischer Art, die gegeben sein müssen [7] um ein Leben aufzubauen, welches das Individuum schätzt.
Um ein Leben aufzubauen, welches das Individuum schätzt, muss es diese Möglichkeiten haben oder diese frei wählen können, um dahingehend handeln zu können. Auch in Anbetracht der individuellen Fähigkeiten, des Charakters des Einzelnen oder anhand der gesellschaftlichen Gegebenheiten [8, 9].
Nach Nussbaum sollen diese Bedingungen zwar von öffentlichen Institutionen geschaffen werden, allerdings muss das Individuum die Umsetzung der wahrgenommen Handlungsmöglichkeiten nicht im Anschluss tatsächlich vornehmen, sondern kann sich dafür frei entscheiden. Das Individuum wird durch die capabilities befähigt, sich bewusst für, und auch gegen, bestimmte Handlungen zu entscheiden und nach eigenem Ermessen zu handeln [10].
In der linken Auflistung finden sich die grundlegenden, mittel- und unmittelbaren Capabilities, mit insgesamt 10 Punkten nach Martha Nussbaum [11], die den Ausgangspunkt für ein gutes Leben eines jeden Individuums darstellen sollen.
Der CA soll gleiche Handlungsmöglichkeiten für einzelne Zielgruppen schaffen, um soziale Ungleichheit zu minimieren und adressiert dabei die Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt. Dabei berücksichtigt er sowohl individuelle Faktoren als auch kontextuelle und strukturelle Rahmenbedingungen [10].
Grundsätzlich unterscheidet der Capability-Ansatz zwischen den Handlungsmöglichkeiten an sich (wie z. B. sich in die Gemeinschaft einzubringen oder mobil zu sein) und der tatsächlichen Umsetzung einer Handlungsmöglichkeit [9, 10]. Genauer unterschieden wird bei der Umsetzung zwischen Functionings, also Handlungen oder Zustände, die eintreten können oder auch ohne aktives Zutun erreicht werden können (wie z. B. eine Erkrankung), und Achievements. Letzteres umfasst ausschließlich aktives Forcieren und Umsetzen einer Handlungsmöglichkeit [1].
Auflistung der grundlegenden Capabilities nach Martha Nussbaum [11] (nach Bittlingmaier/Ziegler [6])
1.Abel T, Schori D. Der Capability-Ansatz in der Gesundheitsförderung: Ansatzpunkte für eine Neuausrichtung der Ungleichheitsforschung. ÖZS.2009;34,(48–64). https://doi.org/10.1007/s11614-009-0012-9
2.Clark D. A. (2006) The Capability Approach: Its Development, Critiques and Recent Advances. Global Poverty Research Group, Cheltenham.
3.Robeyns, I. (2005) The capability approach: a theoretical survey. Journal of Human Development, 6, 93–117.
4.Robeyns, I. (2006) The capability approach in practice. The Journal of Political Philosophy, 14, 351–376.
5.Marmot M. (2000). Do Inequalities Matter? Boston Review, http://bostonreview.net/BR25.1/marmot.html. 9. 1. 2009.
6.Bittlingmayer, U.H. & Ziegler, H. (2012): Public Health und das gute Leben. Der Capability-Approach als normatives Fundament interventionsbezogener Gesundheitswissenschaften? WZB-Discussion Paper SP I 2012-301; unter: https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2012/i12-301.pdf
7.Nussbaum M. C. Gerechtigkeit oder das gute Leben. Frankfurt a. M. Suhrkamp; 1999
8.Sen, A. Commodities and Capabilities. Amsterdam Elsevier Science Publishers; 1985.
9.Sen, A. (1993) Capability and Well-Being, In Sen, A./ Nussbaum, M. (ed), The Quality of Life,Oxford: Oxford University Press, 30-53.
10.Abel T, Frohlich KL. Capitals and capabilities: linking structure and agency to reduce health inequalities. Social Science and Medicine. 2012;74(2):236-44.
11.Nussbaum M. C. Die Grenzen der Zugehörigkeit. Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit, Frankfurt/Main Suhrkamp; 2010